Rückblick auf das Jahr 2017
Quellen der Gesundheit / IPMT 2017
Modul 3: Jugend zwischen Licht und Finsternis
Interdisziplinäre Konferenz für Gesundheits- und Heilberufe
19.–26. August 2017 | Český Krumlov
Thema 2017
Im ersten Jahr unserer Konferenz Quellen der Gesundheit (2015) haben wir uns mit der Beziehung von Mann und Frau beschäftigt, wodurch unter anderem der Weg zur Schwangerschaft und zur Geburt eines Kindes sich ermöglichte. Im zweiten Jahrgang (2016) haben wir das neugeborene Kind bis zum 9. Lebensjahr begleitet, zur existentiellen Schwelle, hinter welcher definitiv die Welt des Kindes endet und dieses schmerzhaft seine Andersartigkeit empfindet. In diesem Jahr möchten wir uns mit der weiteren Entwicklung beschäftigen, mit der Jugend und dem Jugendalter, also mit der Zeit vom 9. bis zum 21. Lebensjahr. In dieser Zeit wird sich der junge Mensch mehr und mehr seiner eigenen Innenwelt bewusst – des eigenen Gefühlsleben, seinen Wünschen und Idealen. Immer schärfer nimmt er auch die Welt um sich herum wahr, empfindet sich mit dieser in immer größerem Widerspruch und sucht dies zu verstehen. Er sucht seine Beziehung zur Welt, zu anderen Menschen, zum anderen Geschlecht, aber vor allem zu sich selbst – wer er in Wirklichkeit ist, was er wirklich will, wie er leben will und wie die Wege aussehen, die ihn zum Ziel führen. Vielfach beginnt er auch Wege zu höheren Ebenen des Daseins zu suchen, zum Geistigen, zu Gott. — Es ist die Zeit des großen Suchens, die nicht einfach ist, manchmal sogar gefährlich. Die eigenen Ideale drohen der Resignation zu verfallen oder in allgemeiner Konformität unterzugehen, man kann auf verschiedenen Wegen in die Irre gehen, oder in Sackgassen oder Abhängigkeiten enden. — Damit wir dem Jugendlichen Hilfe und Unterstützung geben können, müssen wir die Quelle der Probleme verstehen lernen, mit denen wir es tun haben: Woher kommen und worin bestehen die häufigsten Krankheiten dieser Zeit – Allergien und psychosomatische Störungen wie Ängste, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen und Aufmerksamkeitsstörungen? Oder Erkrankungen wie Mononukleose oder Borreliose? Worin besteht ihre Prävention und welche Möglichkeiten der Therapie gibt es? — Das heranwachsende Kind bzw. der Jugendliche und junge Erwachsene hat einen natürlichen Sinn für das Gute, das Schöne und das Wahre. Es zieht ihn dahin und er ist in diesem Sinne „von Natur aus religiös“– wie kann dies geschützt werden und wie können diese Eigenschaften gefördert werden, damit sie fruchtbar werden als aktives Interesse an der Welt und an den Mitmenschen? Wie können die Suche nach Sinn und der Welt der Ideale in der Pädagogik berücksichtigt werden? Welche Gefahren birgt die moderne Medienwelt in sich und wie kann man den Medien gesund begegnen, damit sie nicht bedrohen, sondern dienen und helfen? Wie kann der Lehrer, der Erzieher oder der Therapeut die Kreativität des jungen Menschen stärken, damit sich dieser besser in der Welt zurechtfindet, sich besser eingliedern kann, und sich dabei seiner Individualität bewusst wird und diese so entwickelt, dass sein Freiheitswille nicht in Widerspruch zur Gesellschaft gerät, sondern diese sich gegenseitig bestärken? – Mit diesen und vielen anderen damit zusammenhängenden Fragen wollen wir uns in diesem Sommer beschäftigen – aus der Perspektive anthroposophischer Anthropologie, Medizin und Pädagogik, in Form von Vorträgen, fachbezogenen und interdisziplinären Arbeitsgruppen, im aktiven Erüben und Erleben, im Gespräch und in der freundschaftlicher Begegnung.
Dozenten und ihre Themen / Arbeitsgruppen
Hana Giteva:
Eurythmie: Die Farben der Pubertät und die Suche nach der Mitte
Johannes Weinzirl:
1) Einführung: a) Goetheanistische Übungen zu Farbe, Licht und Finsternis | b) Textarbeit – R. Steiner: “Seelenübungen des Denkens, Fühlens und Wollens”
2) Einführung in die Anthroposophische Medizin
Gabriele Mayerhofer:
Einführung in die Anthroposophische Medizin (gemeinsam mit J. Weinzirl)
Edwin Hübner:
1) Medien und Medienkompetenz im Kindes- und Jugendalter
2) Mensch und Technik in Vergangenheit und Zukunft
Georg Soldner:
1) Medizinische Grundlagen und Entwicklung des Jugendalters
2) Pädiatrie und Psychosomatik des Jugendalters
3) Öffentlicher Vortrag: Krisen und Chancen der Jugendzeit
Birgit Lühr:
Kunsttherapie in der Jugendzeit
Elisabeth von Kügelgen, Tomáš Boněk:
Spirituelle und religiöse Fragen und Erziehung im Jugendalter
Elisabeth von Kügelgen, Michaela Glöckler:
Der freie Religionsunterricht an der Waldorfschule
Ueli Seiler-Hugova:
1) Farben sehen, erleben, verstehen mit Experimenten
2) Erdenreife als Identitätsprozess und die Jugend in der Parzivalgeschichte
Georg Soldner, Michaela Glöckler:
Suche, Sucht und Sehnsucht in der Jugend (Zyklus der Abendvorträgen)
Parallelkonferenz: Anthroposophische Tiermedizin
Wilbert Beyer, Markus Steiner:
Jungtiererkrankungen – Prophylaxe und Therapie aus anthroposophischer Sicht
Markus Steiner:
Anthroposophische Pulsdiagnostik bei Mensch und Tier
Rückblick
von Ewa Gardzielewska
Freitag, 25. 8. 2017 / Nach einer Woche gemeinsamer Arbeit schließt sich der (Farb-)Kreis – das Grün im Lichtspektrum bekommt ein Gegenüber: die Pfirsichblütenfarbe im Finsternisspektrum.
In der Eurythmie haben wir mit dem Jahrestierkreis und den Farben etwas Schönes, Gutes und Wahres gefunden. Die Tagung findet einen perfekt harmonischen Abschluss. Wäre da nicht noch etwas…. Der Rückblick.
Es ist anstrengend den harmonischen Kreis wieder zu verlassen und den Weg voller Spannungen, der dahin geführt hat, rückwärts gehen. Es gehört eine sehr große Portion Wille dazu. Aber warum machen wir das überhaupt? Warum zurückgehen, wenn man das Ziel erreicht hat und etwas so Schönes aufgebaut hat? Warum immer diese Rückblicke, jedes Jahr beim IPMT? – Die Antwort ist einfach: Weil Steiner es so sagt… 😉
Er sagt, dass dadurch die sogenannte Intuition geschult wird, mit der wir auf dem geistigen Erkenntnisweg zu unserem wahren Wesen finden können.
Auch wir haben bei der Textarbeit und Naturbetrachtung geübt, Vorgänge rückwärts zu denken. Was passiert, wenn wir uns einen Fluss rückwärts fließend vorstellen? Vielleicht heben wir dabei mit unserem Denken die Naturgesetze auf und ein Moment der Freiheit entsteht?
Donnerstag, 24. 8. 2017 / Goethe entdeckt das Finsternisspektrum. Denn es bedarf nicht nur des Lichtes sondern auch der Finsternis, damit Farben dazwischen entstehen können. Zum Tag gehört die Nacht, zum Aufblühen das Verwelken und doch bleibt etwas: eine Frucht, ein zur Ruhe kommen. Nach einer Woche des Suchens zwischen zwei Polaritäten haben wir etwas gefunden.
Auch Parzival hat eine zweite Chance bekommen und die Gralsburg, wie die Quelle der Gesundheit, nach langen Krisen wiedergefunden. Dazu diente ihm als Schlüssel die Selbsterziehung. Denn der Mensch ist Werk der Natur, der Gesellschaft und seiner selbst.
Darum ist es so wichtig, dass junge Menschen Halt in sich selbst finden und Ich-Kompetenzen entwickeln. Denn wenn die Suche nach der eigenen Identität und der individuellen Seelenfärbung ins Leere geht, besteht die Gefahr Ersatzidentitäten in Drogen zu finden.
Mittwoch, 23. 8. 2017 / Freier Vormittag: Die guten Anthroposophen gehen morgens in die Menschenweihehandlung. Andere machen es Goethe gleich und steigen in ein Bergwerk hinunter. Es gibt aber auch eine dritte Gruppe, die – gleich einem Jugendlichen – am Vormittag einfach nur auschlafen und chillen 😉
Wie ein Jugendlicher spüren wir auch die Ohnmacht angesichts einer Welt voller Terror, in der menschliche Beziehungen durch Technik ersetzt werden und die Krankheit zum Geschäft wird.
Auch Parzival steckt in einer Krise – das erste Mal im Gralsschloss stellt er die entscheidende Frage nicht. Dabei hat er nur brav die Anweisung befolgt, man solle keine Fragen stellen. Aber anscheinend führt Konformismus und das strikte Handeln nach den Normen der Gesellschaft nicht zur höheren Erkenntnis und Selbstfindung – manchmal bedarf es eines individuellen Anarchismus.
Dienstag, 22. 8. 2017 / Wir entdecken die Polarität und Spannung zwischen warmen und kalten Farben im Lichtfarbspektrum: die einen repräsentieren Aufbau, Bewegung und Leben, die anderen Abbau, Ruhe und Tod.
Es kommt zu einer ersten Begegnung zwischen Textarbeit und Naturbetrachtung: Wir machen erste imaginative und inspirative Erfahrungen – Bilder entstehen und verschwinden wieder. Stimmungen kommen auf – oder auch nicht… 😉
Im 14. Lebensjahr werden die astralischen Kräfte frei und wirken im Denken und Fühlen. Die Sehnsucht und Sinnsuche/Identitätssuche beginnt. Wenn der junge Mensch keinen Anschluss findet, droht er der Sucht zu verfallen. Die Entwicklung von Dialogfähigkeit als Prävention spielt eine große Rolle.
Parzival ist ein „Spießer“ geworden. Er hat seine weltliche Identität gefunden und alles irdisch Erstrebenswerte erreicht: Er ist glücklich verheiratet und Herrscher über ein Königreich. Und dennoch: es genügt ihm nicht. Er verspürt die Sehnsucht weiterzuziehen und nach etwas „Höherem“ zu suchen.
Montag, 21. 8. 2017 / Wir lernen die sieben Farben des Regenbogens kennen. Für Newton sind sie nur gebrochenes Licht. Doch ist das die ganze Wahrheit? Sind es wirklich nur verschiedene Wellenlängen? Oder haben die Farben auch unterschiedliche Qualitäten und Wirkungen auf unsere Seele wie Goethe es vermutet hat?
Unser Gefühlsleben erwacht zwischen den Polaritäten warm und kalt – es entstehen Spannungen und Disharmonien zwischen Hell und Dunkel.
Die Spannung wird so stark, dass sie sich am Abend in einem epileptischen Anfall entlädt.
Man sagt, dass medizinische Notfälle auf einer medizinischen Tagung schlecht aufgehoben sind. Denn keiner fühlt sich verantwortlich oder alle auf einmal… Doch zum Glück sind auf unserer medizinischen Tagung mehr Pädagogen als Ärzte anwesend und die Erste Hilfe erfolgt einwandfrei.
Parzival bekommt nach der mütterlichen Naturerziehung eine autoritative Vatererziehung von einem älteren Ritter. Er lernt die gesellschaftlichen Normen kennen und sein chaotisches Gefühlsleben zu beherrschen.
Sonntag, 20. 8. 2017 / Die Woche beginnt mit dem Grün. Einem saftigen Lebensgrün, neutral und mittig. Wir betrachteten ein grünes Blatt und untersuchten, wie in ihm die Beziehung zwischen Licht und Dunkelheit, Struktur und Substanz, deutlich wird.
Ein erster Kontakt mit dem Text erfolgt: Was ist Imagination? Inspiration? Intuition?
Ich werde es nie verstehen….
Wir machen uns auf die Suche nach der eigenen Seelenfärbung, getrieben von der Sehnsucht nach Verbindung, auch über den Tod hinaus mit unseren lieben Verstorbenen.
Der junge Parzival verlässt seine Mutter, er will Ritter werden. Doch noch trägt er ein Narrenkleid. Was steckt dahinter?
Samstag, 19. 8. 2017 / Ein pubertäres Gewitter jagt durch halb Europa und hinterlässt nichts als Verwüstung. Trotzdem schaffen es 220 Teilnehmer (und sogar die Dozenten) pünktlich nach Cesky Krumlov um die Krisen und Chancen der Jugendzeit zwischen Licht und Finsternis zu beleuchten.
Klar ist: es geht nur interdisziplinär. Lehrer, Ärzte, Therapeuten – alle müssen in der heutigen Welt zusammenarbeiten, wenn wir zu den Quellen der Gesundheit gelangen wollen.